Il titolo è il pubblico (Den Titel bestimmt das Publikum)
09.10. - 23.10.2010
Jacopo Candotti, Federica Moretti, Anna Scalfi
In der Galerie Prisma in Bozen findet die Gruppenausstellung „Il Titolo è il Pubblico“ [Den Titel bestimmt das Publikum] des Südtiroler Künstlerbundes statt. Kurator des Projektes ist Denis Isaia. Die künstlerischen Interventionen von Jacopo Candotti, Federica Moretti und Anna Scalfi werden in den Räumlichkeiten sowie im Hof und im Archiv der Galerie Prisma zu sehen sein. Zudem wird die Ausstellung von parallel veranstalteten Projekten der Künstlerin Valentina Sartori und des Literaturkritikers Ferruccio Delle Cave begleitet.
Den Ausgangspunkt des Projektes bildete die Überlegung, dass es im Bereich der bildenden Kunst so gut wie keine Studien zur Rezeption der Kunst seitens der Öffentlichkeit gibt. Während das Theater und das Kino die Thematik der Publikumswirkung ausgiebig vertieft haben, hat die zeitgenössische Kunst – die vielleicht noch ein wenig im Schatten der romantischen Kunstkonzeption steht – es vorgezogen, sich auf die Produktionsprozesse zu konzentrieren. Dadurch erfuhren alle praktischen Ansätze, kreativ mit dem Publikum zu arbeiten, bisher eine ungenügende Resonanz. Indem der kommunikative Schwerpunkt allein auf den Schultern der Kunstwerke lastete, wurde das Gleichgewicht zwischen Schaffen und Betrachten zu Gunsten des ersteren verschoben. Durch diese Verschiebung kam es zur allgemeinen Überzeugung, dass sich die Kunst allein über die künstlerische Arbeit und nicht in der Beziehung zwischen dem Werk und der Öffentlichkeit als Kunst erweisen müsse.
Das vorliegende Projekt wird von mehreren Voraussetzungen bestimmt, unter anderem von der Überzeugung, dass eine Verschiebung des Schwerpunktes von der Beziehung zwischen Werk und Öffentlichkeit hin auf die alleinige Rolle des Kunstwerkes stattfand; und dass diese Verschiebung große Auswirkungen auf die aktuellen Parameter der Urteilsbildung, der Auswahl sowie der Einordnung der Kunstwerke hatte. Den Worten Anton Vidokles zufolge ist die wahre Kunst „jene Kunst, die sich in den Museen und Biennalen befindet, nicht aber jene, die sich in den Köpfen der Betrachter bildet“. Dieser Ansatz, der bis heute fortzubestehen scheint, hat zu einem System geführt, bei dem die eigentliche Rolle des Kurators verloren geht. Stattdessen wird der Verzicht auf sämtliche didaktische Bemühungen legitimiert, während der Kunstbetrieb zugleich von zentralen Schaltstellen aus geleitet und von entsprechenden Budgets geprägt ist. Daraus resultiert nicht zuletzt die unreflektierte Sanktionierung kompetenter Autoritäten.
In dem vorliegenden Projekt wird nun die paradoxe These gewagt, dass sich ein Kunstwerk heute auf die Abwesenheit der Öffentlichkeit bzw. auf das Vergessenwerden stützt. So schwankt die Ausstellung selbst als Teilergebnis zwischen einer Einigung und weiterhin bestehenden Differenzen der Künstler und Künstlerinnen in Bezug auf die zugrunde liegende Prämisse. Dabei geht es weniger darum, unterschiedliche Antworten zu geben, vielmehr wird eine Art Laboratorium errichtet, dessen einziges Ziel darin besteht, bestimmte kritische Elemente zu erproben und die Öffentlichkeit dazu aufzufordern, über die gestellten Fragen und Lösungsvorschläge nachzudenken. Im Zuge dieser gemeinsam erbrachten Leistung erwarten sich die Veranstalter wertvolle Hinweise zur Thematik, etwa anhand folgender Fragen:
Wo findet die Rhetorik des Zugangs zur Kunst ihre Balance?
Ist es denkbar, dass einige der gängigsten Kunstpraktiken erst möglich wurden, als der Künstler in die Rolle des Betrachters geschlüpft ist; so als könnte derjenige, der schaut, seinerseits nicht angeschaut werden?
Was kann das Publikum einer Ausstellung über diese aussagen?
Kann es sein, dass die Didaktik eine herausragende Rolle in der Entwicklung der Künste spielt?