N.C. Kaser - 40 Jahre Brixner Rede
27.08.2009
Festung Franzensfeste
…am 27. August 1969 war es so weit. Ein durchwegs missmutiger N.C. Kaser betrat das Rednerpult in der Brixner Cusanus-Akademie und berichtete in einem scharfen unverkennbaren zynischen Ton über Südtirols Literatur der Zukunft und der Jahre zuvor. Für die Zuhörer und die Organisatoren der Südtiroler Hochschülerschaft war Kasers Rede zunächst nichts anderes, als dessen eigenwillige Interpretation der Literaturszene im Land, sowie der gesellschaftlichen Zustände Südtirols im Allgemeinen. Für die Studenten, die die weltweit befreienden Töne des Woodstockfestivals noch in ihren Ohren hatten, war also die Provokation Kasers – 10 Tage nach dem Musikspektakel – nichts Neues. Doch N.C. Kaser hat an diesem Tag nicht ins Leere gesprochen. Er hat aufgewühlt und ausgeteilt und wurde für seinen Mut in den darauffolgenden Wochen, Monaten und Jahren von bestimmten Lokalmedien regelrecht vernichtet. Heute aber gilt Kasers „Brixner Rede“ als Zäsur, als der gedankliche Einschnitt schlechthin, denn kein anderer hatte es vor ihm gewagt, den großen Medieninstitutionen des Landes, den lediglich zu Brauchtum und Tradition verkommenen zwielichtigen Heimatdichtern und Volkstumsrichtern, sowie „einer total vertrottelten Bozner Schießbudengesellschaft“ derart ans Bein zu pinkeln wie kaser. Südtirols Literatur kommentierte er mit folgenden Worten, nämlich dass „99% der Südtiroler Literaten am besten nie geboren wären“ und es demnach besser wäre, wenn sie „noch heute ins heimatliche Gras beißen“, um „nicht weiteres Unheil anzurichten“. Jung und kämpferisch wusste Kaser die Macht des Wortes zur rechten Zeit zu nutzen.
Seine Rede vom 27. August ist ein Schrei nach einer neuen literarischen Freiheit und Weltoffenheit. Es ist aber auch der gesellschaftspolitisch motivierte Schrei hinein in die engen Täler eines kleinen europäischen Landstrichs, dessen kulturelles Erbe für immer und ewig festgemacht schien. Das Echo der damaligen kulturellen Gestalter und Schreiberlinge, die den kulturellen Alltag mit gängigen konservativen Konserven einzufrieren wussten, lies nicht lange auf sich warten. Während sie N.C. Kaser öffentlich an den Pranger stellten und Kaser im Wesentlichen erst posthum eine entsprechende literarische Wertschätzung erlangt, motivierten die Äußerungen der „Brixner Rede“ viele junge Intellektuelle und Literaten des Landes.
Vierzig Jahre nach der vermeintlichen Geburtsstunde neuerer Südtiroler Literatur, erinnern ein Dutzend Schriftsteller aus dem In- und Ausland an diesen wichtigen Tag. Nicht zuletzt soll auch darüber diskutiert werden, wie es um Gegenwart und Zukunft des hiesigen Literaturbetriebes innerhalb des europäischen Kontextes steht.