Alexander Wierer. no event info
Alexander Wierer ist ein Liebhaber der Dinge. Er hantiert mit Home-Druckern, Handstaubsaugern und anderen menschengemachten Kuriositäten. An ihnen erkennt er die Welt, den Zeitgeist, unsere Realität.
Sein Medium ist ganz klar. Obwohl er sich denselben Problematiken stellen muss, wie viele Bildhauer vor ihm, erweitert er deren Dasein auch, indem er wie ein Archäologe das menschliche Dasein und seine Resultate in der gegenständlichen Welt untersucht.
In no event info zeigt Wierer von 10. Juni bis 21. August 2021 raumbezogene Skulpturen und Installationen, welche sich mit diversen Aspekten des Galerieraums beschäftigen.
Am Eingang der Galerie hängt ein Kinderwagen an der Wand und wird sogleich ein Teil der Ausstellungsarchitektur. Wie eine Garderobe scheint er dazu einzuladen weitere Kinderwägen hier zu parken. Am anderen Ende erstreckt sich eine mittelgroße Fläche von Laminatboden über den Galerieraum. Besucher*innen, welche die Galerie durch den Eingang unter den Großen Lauben betreten, stolpern regelrecht auf den Boden und stehen somit gleich vor der Frage ob es sich dabei um ein Werk handle und wenn ja, ob es betreten werden darf. Diese Arbeit begleitet den Künstler seit einiger Zeit. Sie besteht aus den kleinsten Einheiten des billigsten Laminatbodens im Baumarkt und kann länderübergreifend und ortspezifisch angepasst und umgebaut werden.
Die Fähigkeit Wierers die Dinge dafür zu nehmen was sie sind, sie wahrhaftig zu sehen und sich mit der Leichtigkeit ihrer alltäglichen Ästhetik zu vergnügen, spiegelt sich in dieser Ausstellung auch und vor allem im Umgang mit dem Raum und mit dem Ausstellungsmachen an sich wieder.
Die stets stark vertretene Vorstellung des Ausstellungsraumes als White Cube wird in no event info stückweise dekonstruiert. Unerreichbare Ansprüche an einen perfekt sterilen Raum werden zum Inhalt Wierers Untersuchungen und nehmen dabei diverseste Formen an: pointierte Wiederholungen von im Raum integrierten (und essentiellen) Elementen - wie der Blenden oder der Dispenser -; scheinbar zufällige Anordnungen von weißen bzw. hellen Gegenständen, die aufgrund ihrer chromatischen Eigenschaft nicht sofort auffallen und das an Sterilität gewohnte Auge daher nicht stören oder Repliken von Gegenständen und Formen, die dem Raum innewohnen - wie der Gipsabguss eines Schwimmbretts, der eine Hommage an die runden Bögen der Galerie ist oder aber die Stahl-Replik der Stuhlbeine des Stuhls der Aufsichtsperson. Die Summe dieser Werkgruppen lässt uns in Wierers Welt eintauchen und uns dadurch erkennen, was wir sonst als selbstverständlich empfinden und dadurch manchmal übersehen. Glasklar wird dies im hinteren, kleineren Raum der Galerie, in dem ein gebrauchtes Regal aus einem Supermarkt leer dasteht. Der Behälter wird zum Inhalt und erst dadurch sichtbar.
Nicht nur die Ansprüche an den Raum thematisiert der Künstler. Durch das Arbeiten mit gefundenen Objekten ermöglicht er den Betrachtenden sich mit seiner Arbeit zu identifizieren und schafft somit einen Zugang für Menschen, welche vielleicht nicht unbedingt damit gerechnet hatten.
Der Titel no event info deutet auf eine Art Fehler im System hin. Es fehlen Informationen oder das Projekt ist (noch nicht) vollständig. Dieser Moment des Unfertigen, diese Abwesenheit eines Titels, unter dem sich Interessierte irgendetwas vorstellen und Erwartungen daran knüpfen können führt bei Besucher*innen – welche Wierer lieber Gäste nennt – dazu, sich zu fragen, was sie sich von einer Ausstellung erwarten und was eine Ausstellung eigentlich ausmacht.
No event info ist daher auch der perfekte Auftakt für eine neue Saison in der Stadt Galerie Brixen, da sie Problematiken und Möglichkeiten dieses Raums thematisiert und ihm jegliche Hoheit nimmt. Darauf lässt sich bauen. Auf offene Zugänge und lebendigen Austausch.
Elisa Barison
Alexander Wierer, geboren 1989 in Brixen, Studium der Freien Kunst an der Kunstakademie Münster, der Faculty of Fine Arts Barcelona und der Accademia di Belle Arti Bologna.
Studienaufenthalte ua. an der Tokyo University of Arts und College for Music and Arts Palazzo Ricci, Montepulciano. 2018 Akademiebrief Freie Kunst; Kunstakademie Münster als Meisterschüler von Prof. Henk Visch.
Einzel- und Gruppenausstellungen (Auswahl): Zwanzigzwanzig, Villa Messner, Villnöss (2020), Welt zum Gegenstand, Kunstmuseum Gelsenkirchen (2019), Rendezvous, Cité international des Arts Paris (2018), Wipe bodies well a floor gets wet, Tokio University of Arts (2018) I am happy with these things, CAFA Peking (2015)
Kuratiert von Elisa Barison für den Südtiroler Künstlerbund.
Öffnungszeiten Di - Fr 10 - 12 Uhr + 16 - 18 Uhr, Sa 10 - 12 Uhr
Foto: Leonhard Angerer für den Südtiroler Künstlerbund